Der Hagestolz

Buch: Gedichte - Zweites Buch
Sammlung: Vermischte Gedichte II

Ich hab' kein, Weib, ich hab' kein Kind
In meiner öden Stube,
Hier tönt's nicht: "guten Morgen!" lind,
Hier tobt kein muntrer Bube.

Und auch kein treuer Hund mir naht
Mit schmeichelndem Gewedel:
Der Rauch nur ist mein Kamerad,
Und dort der Todtenschädel.

In Ringlein blau der Rauch verwebt;
Des Hirnes leerer Tiegel
Dort auf dem Schrank am Spiegel steht,
Ein fortgesetzter Sftiegel.

Ich habe weislich mir gepflanzt
Den Freund auf die Commode,
Vor allzuheißem Wunsch verschanzt
Hab' ich mich mit dem Tode.

Den Rauch betrachtend, Rad an Rad,
Und dort den bleichen Knochen,
Hat noch ein dritter Kamerad
Wildkalt in mir gesprochen:

Was ist es auch, was thut es auch,
Daß Weib und Kind dir fehle,
Bald wird ja doch, wie dieser Rauch,
Verblasen deine Seele!

Die Schädelpfeif' hat auch geraucht,
Als drin das Leben brannte,
Als noch der Raucher drein gehaucht,
Der große Unbekannte.

Einst Wolken blies der alte Pan
Aus diesen schlechten Scherben;
Nun hat er's Pfeiflein abgethan,
Die Menschen heißen's Sterben.

Der Schädel dort, so häßlich itzt,
So kahl und hohl zur Stunde,
War einst, wer weiß, wie schön geschnitzt,
Als Pan ihn hielt am Munde.

Das Bild am Kopf ist abgewischt;
War's dumm, war's ein gcscheides,
Es wird nicht wieder aufgefrischt,
's ist einerlei nun beides.

Und ob es Glück, ob Unglück hieß,
Ob Kummer oder Segen,
Was Pan hier in die Lüfte blies,
Ist wenig dran gelegen.

Vom Rauche, den der Nind vertrieb,
Vom Feuer, windverschlungen,
Nichts als ein Bild erhalten blieb
In Pans Erinnerungen. -

Das Lebensglück ist nicht geglückt,
Die Menschen mir's zertraten,
Nun will ich, in mich selbst gedrückt,
Auch einen Hund entrathen.

Wenn sie mich unbeweint zuletzt,
Weib-, kinderlos verscharren,
Ich zünde meinen Knaster jetzt,
Dem Rauche nachzustarren.

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