Anna - Nach einer schwedischen Sage III

Buch: Größere lyrisch-epische Dichtungen
Sammlung: Anna

Schautet ihr das Bräutchen schwärmen
Auf der Haid' im Mondenstrahl,
Würdet ihr im Schloß nicht lärmen,
Rüsten nicht das Hochzeitmahl.

Dreier Tage galt's ein Jagen,
Scholl das Horn in Wald und Kluft,
Mancher Keuler ward erschlagen,
Vögel stürzten aus der Luft.

Und der Hirsch, der Stolz der Schluchten,
Liegt mit zwanzig Enden kalt,
Liegt, als hätt' er auf den Fluchten
Mitgerissen ein Stück Wald.

Denn zur Ehre seines Festes
Rief der Ritter in den Forst:
"Lieber Wald! heraus dein Bestes,
Schönstes an Geweih und Borst!"

Früh am Morgen in dem Schlosse
Werden hundert Gäste laut,
Mit dem Ritter, hoch zu Rosse,
Holen sie die schöne Braut.

Anna glänzt im Vrautgeschmeide.
Strahlt in Schönheit wunderbar,
Daß das Volk aufschreit vor Freude,
Wo vorüberzieht die Schaar.

Kein so schönes Weib begegnet
Heut der Sonne auf der Welt;
Und der Priester, wie er segnet,
Vor Erstaunen innehält.

Erich, dem zur Pflicht des Weibes
Sie der Priester angetraut,
In der Schönheit ihres Leibes,
Seinen offnen Himmel, schaut.

Anna freut sich all des Glanzes,
Ihres Ritters freut sie sich,
Ihres grünen Myrtenkranzes,
Ihrer selbst herzinniglich.

Bald beginnt ein festlich Schmausen,
Geigenschall und Hörnerklang,
Lebehoch! und Tanzesbrausen,
Becherklirren, Spiel und Sang.

Geigenschall und Hörnerklang,
Lebehoch! und Tanzesbrausen,
Becherklirren, Spiel und Sang.

Aber als die Nacht gekommen:
Dicht in ihres Ohres Näh'
Hört die schöne Braut, beklommen,
Rauschen den bekannten See.
Trüb ihr alle Kerzen flimmern,
Und die Luft wird ihr so schwül,
Durch's Getös das leise Wimmern
Hört sie von der Haidemühl.

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