Die Rose der Erinnerung
Buch: Gedichte - Erstes BuchSammlung: Reiseblätter I
Als treulos ich das theure Land verließ, Wo mir, wie nirgend sonst, die Freude blühte, Mich selbst verstoßend aus dem Paradies Voll Freundesliebe, holder Frauengüte; Und als ich stand zum ernsten Scheidegruß An meiner Freuden maiengrünem Saume, Als mir im Auge quoll der Thränenguß, Wie warmer Regen nach dem Frühlingstraume: Da bog sich mir zum Lebewohl herab Der reichsten einer von den Blüthenzweigen, Der freundlich mir noch eine Rose gab; Mein Herz verstand sein liebevolles Schweigen. "Nicht in den Staub, o Freund, hier weine hin, "Hier auf die weichen Blätter dieser Rose!" Das war der stummen Gabe milder Sinn; Und schmerzlich rasch folgt' ich dem Wanderloose. In fremde Welten fuhr mich der Pilot, Vom theuren Lande trennen mich nun Meere; Und wie mir einst das Lebewohl gebot, Netz' ich die Blume mit getreuer Zähre. Der Rose inniglicher Duft entschwand, Es ging die frische Farbenglut verbleichen; Sie ruht so blaß und starr in meiner Hand, Des Unverweslichen ein welkes Zeichen. Des Unverweslichen? - sie rauscht so bang, Will meine Hand die Rose wieder wecken; Als wär' es ein prophetisch trüber Klang, Hör' ich den Laut mit heimlichem Erschrecken. O Rose, der Erinnerung geweiht! Mir dünket deiner welken Blätter Rauschen Ein leises Schreiten der Vergänglichkeit, Hörbar geworden plötzlich meinem Lauschen!
Weitere Werke von Nicolaus Lenau bei Amazon
- json FALSE - bitte laden Sie die Seite erneut!