Meeresstille II
Buch: Gedichte - Erstes BuchSammlung: Atlantica
Stille! - jedes Lüftchen schweiget, Jede Welle sank in Ruh, Und die matte Sonne neiget Sich dem Untergange zu. Ob die Wolke ihn belüde Allzutrübe, allzuschwer, Leget sich der Himmel müde Nieder auf das weiche Meer. Und vergessend seiner Bahnen, Seines Zieles, noch so weit! Ruht das Schiff mit schlaffen Fahnen In der tiefen Einsamkeit. Daß den Weg ein Vogel nähme, Meinem Aug' ein holder Fund! Daß doch nur ein Fischlein käme, Fröhlich tauchend aus dem Grund! Doch kein Fisch, der sich erhübe, Und kein Vogel kommen will. Ist es unten auch so trübe? Ist es unten auch so still? - Wie mich oft in grünen Hainen Ueberrascht ein dunkles Weh, Muß ich nun auch plötzlich weinen, Weiß nicht wie? - hier auf der See. Trägt Natur auf allen Wegen Einen großen, cw'gen Schmerz, Den sie mir als Muttersegen Heimlich strömet in das Herz? O, dann ist es keine Lüge, Daß im Schooß der Wellennacht In verborgener Genüge Ein Geschlecht von Menschen wacht. Dort auch darf der Freund nicht fehlen, Wie im hellen Sonnentag, Dem Natur ihr Leid erzählen, Der mit ihr empfinden mag. Doch geheim ist seine Stelle, Und Geheimniß, was er fühlt, Dem die Thränen an der Quelle Schon das Meer von dannen spült.
Weitere Werke von Nicolaus Lenau bei Amazon
- json FALSE - bitte laden Sie die Seite erneut!