An mein Vaterland

Buch: Gedichte - Erstes Buch
Sammlung: Atlantica

Wie fern, wie fern, o Vaterland,
Bist du mir nun zurück!
Dein liebes Angesicht verschwand
Mir, wie mein Jugendglück!

Ich steh' allein, und denk' an dich,
Ich schau in's Meer hinaus,
Und meine Träume mengen sich
In's nächtliche Gebraus.

Und lausch' ich recht hinab zur Flut,
Ergreift mich Freude schier:
Da wird so heimisch mir zu Muth,
Als hört' ich Was von dir.

Mir ist, ich hör' im Winde gehn
Dein heilig Eichenlaub,
Wo die Gedanken still verwehn
Den süßen Stundenraub.

Im ungestümen Wogendrang
Braust mir dein Felsenbach,
Mit dumpfem, vorwurfsvollem Klang
Ruft er dem Freunde nach.

Und deiner Heerden Glockenschall
Zu mir herüberzieht,
Und leise der Verlorne Hall
Von deinem Alftenlied.

Der Vogel im Gezweige singt,
Wehmüthig rauscht der Hain,
Und jedes Blatt am Baume klingt
Und ruft: gedenke mein! -

AIs ich am fernen Gränzefluß
Still stand auf deinem Saum,
Als ich zum trüben Scheidegruß
Umfing den letzten Baum,

Und meine Zähre trennungsscheu
In seine Rinde lief:
Gelobt' ich dir die ew'ge Treu
In meinem Herzen tief.

Nun denk' ich dein, so sehnsuchtschwer,
Wo manches Herz mir hold,
Und ströme dir in's dunkle Meer
Den warmen Thränensold! -

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