Die Haideschenke

Buch: Gedichte - Erstes Buch
Sammlung: Haidebilder

Ich zog durch's weite Ungarland;
Mein Herz fand seine Freude,
Als Dorf und Vusch und Baum verschwand
Auf einer stillen Haide.

Die Haide war so still, so leer,
Am Abendhimmel zogen
Die Wolken hin, gewitterschwer,
Und leise Blitze flogen.

Da hört' ich in der Ferne was,
In dunkler, meilenweiter;
Ich legte 's Ohr an's knappe Gras,
Mir war, als kämen Reiter.

Und als sie kamen näherwärts,
Begann der Grund zu zittern,
Stets bänger, wie ein zages Herz
Vor nahenden Gewittern.

Hertobte nun ein Pfcrdehauf,
Von Hirten angetrieben
Zu rastlos wildem Sturmeslauf
Mit lauten Geißelhieben.

Der Rappe peitscht den Grund geschwind
Zurück mit starken Hufen,
Wirft aus dem Wege sich den Wind,
Hört nicht sein scheltend Rufen.

Gezwungen ist in strenge Haft
Des Wildfangs tolles Jagen,
Denn klammernd herrscht des Reiters Kraft,
Um seinen Bauch geschlagen.

Sie flogen hin, woher mit Macht
Das Wetter kam gedrungen;
Verschwanden - ob die Wolkennacht
Mit einmal sie verschlungen.

Doch meint' ich nun und immer noch
Zu hören und zu sehen
Der Hufe donnerndes Gepoch,
Der Mähnen schwarzes Wehen.

Die Wolken schienen Rosse mir,
Die eilend sich vermengten,
Des Himmels hallendes Revier
Im Donnerlauf durchsprengten;

Der Sturm, ein wackrer Rosseknecht,
Sein muntres Liedel singend,
Daß sich die Heerde tummle recht,
Des Blitzes Geißel schwingend.

Schon rannten sich die Rosse heiß,
Matt war der Hufe Klopfen,
Und auf die Haide sank ihr Schweiß
In schweren Regentropfen.

Nun brach die Dämmerung herein,
Mir winkt von fernen Hügeln
Herüber weißer Wände Schein,
Die Schritte zu beflügeln.

Es schwieg der Sturm, das Wetter schwand:
Froh, daß es fortgezogen,
Sprang über's ganze Haideland
Der junge Regenbogen.

Die Hügel nahten allgemach;
Die Sonne wies im Sinken
Mir noch von Rohr das branne Dach,
Ließ hell die Fenster blinken.

Am Giebel tanzte wie berauscht
Des Weines grüner Zeiger,
Nnd als ich freudig hingelauscht,
Hört' ich Gesang und Geiger.

Bald kehrt' ich ein und setzte mich
Allein mit meinem Krnge;
An mir vorüber drehte sich
Der Tanz im raschen Fluge.

Die Dirnen waren frisch und jung
Und hatten schlanke Leiber,
Gar flink im Drehen, leicht im Sprung,
Die Bursche - waren Räuber.

Die Hände klatschten und im Takt
Hell klirrt des Spornes Eisen:
Das Lied frohlocket und es klagt
Schwermüthig kühne Weisen.

Ein Räuber singt: "Wir sind so frei,
So selig, meine Brüder!"
Am Jubeln seines Munds vorbei
Schleicht eine Thräne nieder.

Der Hauptmann sitzt, auf seinen Arm
Das braune Antlitz senkend,
Er scheint entrückt dem lauten Schwärm,
Wie an sein Schicksal denkend.

Das Feuer seiner Augen bricht
Hindurch die finstern Brauen,
Wie Nachts im Wald der Flamme Licht
Durch Büsche ist zu schauen.

Wächst aber Sang und Sporngeklirr
Nun kühner den Genossen,
Seh' ich das leere Weingeschirr
Ihn kräftig niederstoßen.

Ein Mädel sitzt an seiner Seit',
Scheint ihn als Kind zu ehren,
Und gerne hier der Fröhlichkeit
Des Tages zu entbehren.

Auf ihren Reizen ruht sein Blick
Mit innigem Behagen,
Zugleich auf seines Kinds Geschick
Mit heimlichem Beklagen -

Stets wilder in die Seelen geigt
Nun die Zigeunerbande,
Der Freude süßes Rasen steigt
Laut auf zum höchsten Brande.

Und selbst des Hauptmanns Angesicht
Hat Freude überkommen; -
Da dacht' ich an das Hochgericht,
Und ging hinaus, beklommen.

Die Haide war so still, so leer,
Am Himmel nur war Leben;
Ich sah der Sterne strahlend Heer,
Des Mondes Volle schweben.

Der Hauptmann auch entschlich dem Haus;
Mit wachsamer Geb erde
Rings horcht' er in die Nacht hinaus,
Dann horcht' er in die Erde,

Ob er nicht höre schon den Tritt
Ereilender Gefahren,
Ob leise nicht der Grund verrieth
Ansprengende Husaren.

Er hörte nichts, da blieb er stehn,
Um in die hellen Sterne,
Um in den hellen Mond zu sehn,
Als möcht' er sagen gerne:

"O Mond im weißen Unschuldskleid!
"Ihr Sterne dort unzählig!
"In eurer stillen Sicherheit,
"Wie wandert ihr so selig!"

Er lauschte wieder - und er sprang
Und rief hinein zum Hause,
Und seiner Stimme Macht verschlang
Urplötzlich das Gebraust.

Und eh' das Herz mir dreimal schlug,
So saßen sie zu Pferde,
Und auf und davon im schnellsten Flug,
Daß rings erbebte die Erde.

Doch die Zigeuner blieben hier,
Die feurigen Gesellen,
Und spielten alte Lieder mir
Raloezy's, des Rebellen.

Weitere Werke von Nicolaus Lenau bei Amazon