Die Bauern am Tissastrande

Buch: Gedichte - Zweites Buch
Sammlung: Vermischte Gedichte II - Neue Folge

Thörichte Freunde des todten Alten,
Fahrend in ausgeleierten Gleisen,
Tanzend nach verklungenen Weisen,
Möge dies Mährlein euch unterhalten.

Warme, lebendige Lüfte wallen
Heber dem schönen Magyarenlande,
In den Gebüschen die Nachtigallen
Singen entzückt am Tissastrande.
Fischlein, springend mit stillem Ergehen,
Holen vom Lenz sich flüchtigen Kuß,
Fürchten sick nicht vor den silbernen Netzen,
Welche der Mond warf über den Fluß.
Brausend vor Freude, münden die Quellen.
Und das lenzbezauberte Land,
Weil es nicht blühn kann unter den Wellen,
Blüht es hier doppelt als üppiger Strand,
Weil es nicht singen kann unter den Wogen,
Singt es dafür hier doppelt so laut,
Liebestönen, schmachtend gezogen,
Lauscht des Sprossers glückselige Braut.

Rüstig rudern dort über die Wellen
Luftige Bauern mit Scherzen und Lachen,
Und die Zigeuner, ihre Gesellen,
Stimmen die Geigen bereits im Nachen,
Stoßen an's Land und eilen zur Schenke:
Weil so laut das heischende Rufen,
Springen die Wirthe schon mit dem Getränke
Heber die finsteren Kellerstufen.

Um den Eichtisch sitzen die Alten,
Vor dem Tanze noch Schmaus zu halten.
Zum Abschnitt gereicht, in der Runde
Geht das köstliche Weizenbrod,
Und sie führen behaglich zum Munde
Feurigen Wein, tiefdunkelroth:
Wischen sich trocken und schieben zur Seite,
Daß er den Speisen den Weg nicht bestreite,
Schnurrbarts buschigten halben Kranz;
Braten und Schinken, warme und kühle,
Wandern geschwind in die knöcherne Mühle:
Dort die Jungen stiegen zum Tanz.

Hei! wie die Geigen singen und klingen!
Hei! wie die Hämmer des Cimbals springen
Ueber die Saiten frisch auf und nieder,
Pochender Herzschlag heimischer Lieder.
Himmel, wie jauchzen die Geigen so helle,
Schmetternd schreit Clarinette, die grelle.

Weinendes Klagen, Freudengekicher
Schüttern im schroffen Wechsel die Luft,
Setzen gewaltig, keck und sicher
Ueber des Mißklangs drohende Kluft.
Alle die Töne, sie klettern, sie tanzen,
Wildverklungen wie Urwaldpflanzen,
Wildhinfahrend wie schwelgende Flammen,
Aber der Brummbaß hält sie zusammen.

Kräftige Burschen tanzen im Saale,
Schwingen empor die hurtigen Weiber,
Werfen empor die blühenden Leiber
Hoch in die Luft, wie süße Pokale:
Drehen sie schnell im wechselnden Kreise
Nach der Musik beschleunigter Weise,
Wie der wirbelnde Strom den Kahn,
Wie ein Rosenblatt der Orkan.
Zitternd dröhnt die gestampfte Diele
Zu der Zigeuner mächtigem Spiele.

Auch die Alten sind aufgesprungen,
Als die beliebte "Werbung" erklungen,
Uralt immer willkommne Klänge,
Nie vergessne Ahnengesänge.
Was, längst Asche, ruht in den Grüften,
Tanzte und jauchzte bei diesen Tönen;
Von den Todten klingt in den Lüften
Freudenvermächtniß den späten Söhnen.
Wie gebannt von den Geistern der Alten,
Wollen nichts Neues hören die Bauern:
Und der Zigeuner muß ausdauern,
Darf nicht wechseln noch innehalten.
Also tanzen sie Stund' auf Stunde,
Immer zur alten beliebten Weise,
Bis die Zigeuner, müd' zum Grunde,
Heimlich sich winken und - spielen leise.

Doch die Berauschten merken es nimmer,
Hören des Liedes Vollklang noch immer.
Leiser und leiser, bis zur Ersterbung,
Hallt und verhallt die lustige Werbung;
Baß und Flöte, Cimbal und Geigen
Haben sich stille hinaus verloren,
Doch der Musik und des Weines Thoren
Hören sie immer noch, springen den Reigen-
Springen ihn, bis der Sonnenschein
Strahlend bricht durch die Fenster herein
Und der Wirth rings "guten Tag!"
Wünscht mit kräftigem Schulterschlag. -
Weithin das lachende Mährlein fliegt
Von den Thoren, die immer noch sprangen.
Während schon längst, erschöpft und versiegt,
Ihre Musik war heimgegangen.

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