Die Botschaft

Buch: Größere lyrisch-epische Dichtungen
Sammlung: Clara Hebert - Ein Romanzenkranz

Nach Saint-Germain zum Verkaufe
Trägt ein Häuflein Bauersleute,
Was der Herbst mit vollen Händen
Ihm auf Flur und Garten streute.

Neben schwer beladnem Wagen
Läßt der Mann die Geißel knallen-.
In der Väurin feinem Korbe
Wird das schmucke Obst gefallen.

Mit Geschichten, frohen Possen,
And nun wieder mit Gesängen,
Suchen sie sich wegzustehlen
Ueber ihres Weges Längen.

Hinter ihnen-Pferdgetrappel,
Und sie stehen, und sie schweigen,
Und neugierig nach den Reitern
Aug' und Ohr sie rückwärts neigen.

In noch nie geseh'ner Eile,
Brausend gleich empörten Wogen,
In noch nie geseh'nen Trachten
Kommt die Schaar herangeflogen.

Wer? wohin? woher des Weges?
Rufen die erstaunten Bauern;
Doch mit Staub die Rosseshufe
Ihnen schnell den Mund vermauern.

Es ist Christoph Gonsiewski,
Von Smolensk der Wojewode,
Der mit seinen Reitgefährten
Manches Roß gejagt zu Tode.

Nimmer länger soll Johannes
Schmachten in den Kerkermauern;
Wladyslaw, sein treuer Bruder,
Fühlt herzinniges Bedauern.

Wladyslaw, der Polenkönig,
König auch im Schwedenlande,
Ist empört in tiefster Seele
Ueber Frankreichs freche Schande.

Und er ließ zu seinen Voten
Zürnend seine Stimme tosen,
Und das Wort, das er gesendet
An den König der Franzosen,

Ist ein Blitz in sie gefahren,
Der sie nun fortreißt geschwinde,
Unaufhaltsam nach dem Orte,
Wo er, freigelassen, zünde. -

In dem Schlosse zu Samt-Germain
Schnauben schon die müden Renner;
Vor den argbetroffnen König
Treten die sarmat'schen Männer.

Schweiß entrollt den kühnen Stirnen,
Und ihr Auge glüht im Zorne,
Drohend klirren ihre Säbel,
Ihre blutgetränkten Sporne.

Und zum König nun beginnet
Gonsiewski so zu reden:
"Wladyslaw hat uns gesendet,
Herr der Polen und der Schweden:

Habt ihr nicht noch diese Stunde
Seinen Bruder freigesprochen,
Soll an Euch und Eurem Lande
Blutig seyn die Schmach gerochen!

Daß der Prinz das Land durchspähte,
Euch an Spanien zu verrathen,
Ist nur eine schnöde Lüge
Eures tückischen Prälaten;

Eine Lüge, ausgebrütet
Von der Kirche grimmstem Geier;
Denn in Eurer faulen Krone
Nistet dieses Ungeheuer!

Oestreich, Spanien und Italien
Werden sich an Polen halten,
Eure Macht und Johanns Kerker
Schnell mit einem Hiebe spalten!"

Zornesbleich und furchtergriffen,
Tiefbeschämet, starrt zur Erde
König Ludwig, und gebietet,
Daß der Prinz befreiet werde.

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