Mischka an der Marosch III

Buch: Größere lyrisch-epische Dichtungen
Sammlung: Mischka

Während Mischka geigt im Edelhause,
Schleicht ein Mann zur strohgedeckten Klause.
Mira steht allein und sinnend,
Ihrem Vater eine Saite spinnend,
Und sie hört, schon will der Abend dämmern,
An der Thür, erstaunt, ein leises Hämmern.
"Ach, wer Pocht?" so ruft die Maid beklommen,
"Räubern kann ihr Frevel hier nichts frommen,
Und der Bettler fürchtet, bei so Armen
Koste ihm ein Scherflein sein Erbarmen!"

Doch sie hört um Einlaß Worte bitten
Von so sicher weichem Klänge,
Mit so süßem Schmeichelzwange,
Daß sie öffnen geht mit schnellen Schritten:
Einen schönen Jüngling vor sich stehen
Sieht sie, wie sie keinen noch gesehen.

Und er spricht ihr, huldigend, die Worte:
"Ja, ein Bettler kam an deine Pforte,
Ach, ein Bettler ist es, schmerzlich darbend,
Doch nicht Geld, noch Brot, kein Labekrug,

Du nur, du allein bist ihm genug;
Wund ist mir das Herz und nie vernarbend.
Seit ich dich erblickt, du schönste Maid,
Treibt mich rastlos irr mein Liebesleid.
Wenn ich jage, gleich' ich selbst dem Wild,
Ueberall gejagt von deinem Bild.
Wie das Wild, verfolgt, zum Schatten trachtet,
Wie es blutend nach der Quelle schmachtet,
Zieht es mich zu deinen Füßen nieder,
In den Schatten deiner Augenlieder,
Glüht die Seele, vor dir hinzusinken
Und ein holdes Wort von dir zu trinken.
Peinlich scheint mir nun mein wildes Roß
Unter meinen Wünschen hinzuschleichen,
Wenn mein Sporn ihm stachelt in die Weichen,
Daß es hinbraust wie ein Wetterstoß,
Schleudernd blanken Schaum aufs Haidekraut,
Und die Rossehirten jubeln laut.
Wenn die Kerzen der Kapelle brennen,
Und der Priester opfert am Altare,
Bete ich von Gott, du Wunderbare,
Namen nur, die deine Reize nennen.
Dem gedenk' ich wachend und im Schlafe,
Jeder Traum, von Liebesschmerz gebunden,
Ruft nach dir und klagt dir seine Wunden,
Wie nach seiner Heimath weint der Sklave!"

Mira spricht, indem sie hold erröthet:
"Sind, o Jüngling, deine Worte wahr,
Werd' ich seyn glückselig immerdar;
Täuschen sie, so hast du mich getödtet.

Eines edlen Stamms du schöner Sprosse,
Nach der Niedern treibt dich ein Verlangen;
Doch du mußt, hat dich mein Arm umfangen,
Bleiben bis zum Grabe mein Genosse!"

Wie im Land, von wannen Mira stammt,
Dort in Indien heiß die Sonne stammt,
Süße Frucht mit schnellem Strahle reifend,
Also urgewaltig, schnell ergreifend
Ist in's Herz die Liebe ihr gedrungen,
Weinend ist sie ihm an's Herz gesprungen.

Hochzeit jubelt dort im Edelhause,
Offen, mit Gepränge und Gebrause;
Hier im Hüttlein still und schlicht, allein,
Kaum belauscht von einem Dämmerschein,
Welchen durch der Scheiben trübe Blenden
Sterne nach dem Erdenhimmel senden.
Hochzeit feiernd, hat im Haus die Stille
Mit dem Dunkel traulich sich verschwistert,
Nur das Stroh des Lagers, wenn es knistert,
Spielt Musik, und zirpend eine Grille.
Vieles wird mit Worten süß begonnen,
Und vollendet in des Kusses Wonnen.
Und vorüber braust an Wort und Kuß
Draußen durch die Nacht der wilde Fluß.
Nur zuweilen ruhn und horchen beide
Nach der Marosch ungestümen Wellen,
Wie einst von der Paradiesesweide
Ausgetauscht das Wild den Tigrisquellen.

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