Asyl

Buch: Gedichte - Erstes Buch
Sammlung: Frühling

Hohe Klippen, ringsgeschlossen,
Wenig kümmerliche Föhren,
Trübe flüsternde Genossen,
Die hier keinen Vogel hören;

Nichts vom freudigen Gesänge
In den schönen Frühlingszeiten:
Geiern wird es hier zu bange,
In so dunkeln Einsamkeiten.

Weiches Moos am Felsgesteine,
Schwellend scheint es zu begehren:
Komm, o Wolke, weine, weine
Mir zu die geheimen Zähren!

Winde hauchen bier so leise,
Räthselstimmen tiefer Trauer;
Hier und dort die Blumenwaise
Zittert still im Abendschauer.

Und kein Bach nach diesen Gründen
Darf mit seinem Rauschen kommen,
Darf der Welt verrathend künden,
Was er stilles hier vernommen;

Denn die rauhen Felsen sorgen,
Daß noch eine Stätte bliebe,
Wo ausweinen kann verborgen
Eine unglückliche Liebe.

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